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Wanderreportagen

Das Tal der Kinderheime

Auf einer Wanderung ab Unterägeri ZG begegnen wir einer Marmorsäule, die drei verstorbenen Kindern gedenkt, einsamen Hochmooren und einer herzigen kleinen Alpwirtschaft.
11.04.2025 • Text und Bilder: Angelika Imhof
Blick von der Dachsflue auf das Ägerital mit Unter- und Oberägeri.

Idyllisch gelegen ist es, das Dorf Unterägeri: Auf 729 m ü. M. am westlichen Ende des Ägerisees, am Lauf der Lorze und im Norden des Rossbergmassivs, das mit dem Wildspitz den höchsten Gipfel des Kantons Zug besitzt. Eine solche Landschaft muss der Gesundheit guttun – das dachten sich wohl auch die Ärzte der letzten beiden Jahrhunderte und gründeten im Ägerital zahlreiche Kinderheime, die sich der Genesung und Erholung von Kindern verschrieben. 1934 gab es in Unterägeri zwölf Kinderheime und ein Tuberkulosesanatorium mit Kinderabteilung. Zeitweise hielten sich hier rund 600 Kinder zur Kur auf – dem gegenüber stand eine Einwohnerschaft von 3000 Personen.

Von dieser kinderreichen Zeit ist heute nicht mehr viel zu spüren. Tatsächlich bilden nun die 50- bis 54-Jährigen die grösste Bevölkerungsgruppe im Dorf (Stand 2022). Das Kinderheim Bossard-Hürlimann ist eines der wenigen, das noch besteht. Es wurde 1896 an der damaligen Kirchgasse, heute Zugerstrasse 15, für die «bleichsüchtige Jugend der Städte» gegründet. Schnell gewann die Institution an Beliebtheit – und schon bald trafen die ersten Gäste aus Europa und ab 1908 sogar aus den USA ein. Während die meisten anderen Kinderheime ab den 1960er-Jahren nach und nach verschwanden, da die Nachfrage durch Faktoren wie eine verbesserte Vorsorge, medizinische Fortschritte und soziale Entwicklungen sank, hat sich das einstige Kinderheim erfolgreich den neuen Bedürfnissen angepasst. Es wird heute in der vierten Generation als Privatschule Bossard geführt, die sich auf Sprachförderung spezialisiert.

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Die Privatschule Bossard, die 1896 als Ferienkinderheim gegründet wurde.


Tragisches Fliegerunglück

1926 musste ein Militärdoppeldecker südlich von Unterägeri notlanden, da ein kleiner Defekt vorlag. Die Einheimischen versammelten sich neugierig um das Flugzeug, da ein solches Ereignis nicht alltäglich war. Beim erneuten Startversuch auf der Wilbrunnenstrasse kam der Flieger von der Startbahn ab und verletzte drei Jungen tödlich. Noch heute erinnert eine Marmorsäule am Wanderweg an die tragisch verstorbenen Kinder.

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Gedenksäule für die verstorbenen Kinder.


Wurst wie in Italien

An der Zugerbergstrasse 12 steht ein unauffälliges, seitlich mit Efeu zugewachsenes Haus, das 1893 vom Metzger Albert Iten erbaut wurde. Er nutzte es für die Produktion von Wurstwaren wie Salami, Salametti und Mortadella. Bald war die Salamifabrik rundherum bekannt und war laut dem Eigentümer die «erste grösste leistungsfähigste Fabrik dieser Branche in der Schweiz».

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Während 35 Jahren wurde hier gewurstet.


Alpwirtschaft mit süssem Genuss

Auf dem höchsten Punkt der Wanderung befindet sich die Alpwirtschaft Brandalp, direkt neben der Brandhöchi. Sie ist umgeben von einem ökologisch wertvollen Flachmoor, dem Naturschutzgebiet Rossallmig, in dem sich Baumpieper und Kuckuck wohlfühlen. Die Wirtschaft ist von Mitte Mai bis Ende Oktober geöffnet.

brand-alp.ch
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© Zu empfehlen: Der Lebkuchen mit Nidle.

Vom Ägerisee hinauf zu den Hochmooren
Unterägeri, Zentrum • ZG

Vom Ägerisee hinauf zu den Hochmooren

Die Wanderung beginnt im Dorf Unterägeri, am westlichen Ende des Ägerisees. Einst gab es hier bis zu zwölf Kinderkurheime mit rund 600 Feriengästen, die für einige Wochen oder gar Monate zur Kur kamen. Besonders der Südhang bot ideale Bedingungen für sogenannte Frischluft-Liegekuren für Tuberkulosekranke und Kinder mit Anämie, Lungen-, Brustfell- und Herzerkrankungen. Diese Rundtour führt dem Nordhang entgegen. Zunächst verläuft der Wanderweg über ein etwas längeres Stück Hartbelag aus dem Dorf hinaus bis Bergmatt. Kurz vor dem Bergwald findet sich eine erste hübsche Feuerstelle mit Blick auf den See. Unmittelbar dem Ufer entlang geht es nun auf einem gut gepflegten Waldweg bis nach Naas. Wenn man möchte, kann man die Wanderung auch erst hier starten, indem man von Unterägeri das Kursschiff bis Naas nimmt (wird nur saisonal angefahren). Nun beginnt der Anstieg: Am Campingplatz vorbei führt der Weg ein kurzes Stück dem Nasbach entlang. Bei der ersten Abzweigung wird der gelb markierte Wanderweg zugunsten des rot-weiss markierten Bergwanderwegs verlassen. Auf der Rapperenflue bietet sich ein erster phänomenaler Ausblick über den blauen Teppich des Ägerisees. Kurz darauf erreicht man das Flachmoor Sod und eine weitere Feuerstelle. Beim nächsten Wegweiser wandert man Richtung Brandhöchi weiter. Kaum ist man beim Punkt Rossallmig angekommen, wartet schon das nächste Flachmoor – eine vielfältige Landschaft mit Gehölzgruppen, Sumpfdotterblumenwiesen und Waldrändern. Die Alp wird traditionell im Sommer beweidet, wovon die stark gefährdete Gefleckte Keulenschrecke profitiert, die nur an sehr wenigen Orten im Ägerital vorkommt. Die Alpwirtschaft Brandalp lädt zur Rast ein und erfreut mit köstlichem Lebkuchen. Der höchste Punkt der Wanderung, die Brandhöchi auf 1127 Meter über Meer, ist erreicht. Ein relativ steiler Abstieg folgt. Kurz nachdem der Wald verlassen ist, bietet sich eine grossartige Aussicht auf die Berge des Zuger Oberlands sowie den Ägerisee. An ruhigen Höfen und blumigen Wiesen vorbei geht es hinunter ins Ägerital. Das letzte Wegstück führt nochmals über Hartbelag. Entlang des Alpenpanoramawegs Nummer 3 gelangt man wieder ins Dorf.

zum Wandervorschlag

Angelika Imhof

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Mittelland Magazin DAS WANDERN

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